Faktencheck: Medikamente in der Nutztierhaltung
Das Stichwort Antibiotika-Resistenz
bewirkt i.d.R. eine Verunsicherung der Verbraucher, zumal Kritiker der modernen Nutztierhaltung gerne einen Zusammenhang mit der sogenannten Massentierhaltung herstellen. Dies ist erwiesenermaßen falsch. Aufgrund strenger gesetzlicher Vorgaben sowie wirtschaftseigener und behördlicher Kontrollen stehen den Verbrauchern in Deutschland qualitativ hochwertige und unbedenkliche Lebensmittel zur Verfügung wie in kaum einem anderen Land der Welt.
Fakten:
Gesunde Tiere sind die Basis für gesunde und sichere tierische Lebensmittel. Arzneimittel sichern die Erzeugung von tierischen Lebensmitteln und schützen zudem die Gesundheit der Verbraucher. Die Rolle der Tiergesundheit wird in Zukunft immer wichtiger, da sich die Nachfrage nach tierischem Protein voraussichtlich bis 2050 verdoppeln wird.
Tierkrankheiten führen weltweit zu einem Produktionsverlust von etwa 20 %.
Die wichtigste Maßnahme gegen Krankheiten ist eine konsequente Vorsorge durch die Tierhalter. Dazu gehören ein sorgfältiges Tiergesundheitsmanagement, verstärkte Tierbeobachtungen und Infektionskontrollen, gute Haltungs- und Hygienebedingungen, eine bedarfsgerechte Fütterung und abgestimmte Impfpläne. Dank vorbeugender Impfung und spezieller Programme können heute die wichtigsten Krankheiten erfolgreich kontrolliert werden.
Jeder Schweinehalter wird gemäß der Schweinehaltungshygieneverordnung von einem qualifizierten Tierarzt betreut. Gesunde, widerstandsfähige Tiere benötigen weniger Medikamente. Trotzdem können Tiere erkranken und müssen dann medizinisch behandelt werden.
Tierarzneimittel werden vor dem Marktzugang in einem strengen Verfahren nach wissenschaftlichen Kriterien auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit für Tier, Mensch und Umwelt geprüft. Es dauert 8–12 Jahre und kostet 50–200 Mio. Euro, ein neues Tierarzneimittel zu erforschen, zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.
Tierärzte und Tierhalter tragen gemeinsam eine große Verantwortung. Sie tauschen sich regelmäßig aus und müssen sich an eine Vielzahl gesetzlicher Vorschriften halten. Verschreibungspflichtige Arzneimittel – wie z.B. Antibiotika – dürfen nur bei einer entsprechenden Diagnose durch den Tierarzt und nach seiner Anordnung angewendet werden. Der Einsatz von Antibiotika und anderer Medikamente als Leistungs- bzw. Wachstumsförderer ist seit langem verboten. Jede Arzneimittelgabe zur Anwendung bei Nutztieren muss sowohl in einem betriebseigenen Arzneimittelbuch als auch für Antibiotika seit Juli 2014 in einer zentralen Datenbank exakt dokumentiert werden. Vergleichbares gibt es weder in der Heimtierhaltung noch in der Humanmedizin.
Wenn ein Tier mit einem Arzneimittel behandelt wird, muss eine spezifische Wartezeit eingehalten werden, um Medikamenten-Rückstände in den Lebensmitteln zu vermeiden. Erst danach gelangen das Tier oder seine Produkte in die Lebensmittelkette.
Maßstab der gesundheitlichen Bewertung für Verbraucher sind sogenannte ADI-Werte, die aus umfangreichen Untersuchungen abgeleitet werden. ADI steht für Acceptable Daily Intake
und bezeichnet die Menge eines Stoffes, die der Verbraucher täglich und lebenslang ohne erkennbaren Schaden für die Gesundheit über Lebensmittel aufnehmen kann. Die ADI-Berechnungen enthalten zusätzliche Sicherheitsfaktoren und liegen meist mindestens 100-fach unter der Dosis, die keinerlei Wirkung gezeigt hat. Die auf Basis der wissenschaftlichen Beurteilung festgelegten Höchstmengen in den einzelnen Produkten wie Fleisch, Milch, Eier oder Honig sind so bestimmt, dass die Summe aller möglichen Rückstände in allen Bestandteilen der täglichen Nahrung sicher unter dem ADI-Wert liegt.
Wird eine Überschreitung der Rückstandshöchstmengen festgestellt, so dürfen die Erzeugnisse nicht der Nahrungskette zugeführt werden. Überschreitungen sind meist darauf zurückzuführen, dass ein Medikament falsch angewendet oder die vorgeschriebene Wartezeit nicht eingehalten wurde.
Antibiotika sind wertvolle und unverzichtbare Arzneimittel. Seit ihrer Einführung vor über 60 Jahren haben sie sich zum wichtigsten Instrument für die Behandlung von bakteriellen Infektionskrankheiten entwickelt. In der Nutztierhaltung betrifft dies z.B. Atemwegserkrankungen, Durchfälle und Entzündungen der Milchdrüsen. Antibiotika hemmen das Wachstum von Bakterien und anderen Mikroorganismen bzw. töten sie ab. Wenn Mikroorganismen in Gegenwart eines Antibiotikums trotzdem wachsen, sind sie gegen den Wirkstoff resistent. Es ist eine natürliche Überlebensstrategie von Keimen, Resistenzen zu bilden. Antibiotika-Resistenzen haben in den letzten 10–15 Jahren deutlich zugenommen. Für ihre Entstehung, Vermehrung und Ausbreitung sind vor allem eine unsachgemäße Anwendung sowie eine mangelhafte Hygiene im Krankenhaus, aber auch bei Nutz- und Heimtieren und im Haushalt verantwortlich. Aktuelle wissenschaftliche Studien zeigen, dass der Ursprung von antibiotikaresistenten Keimen bei Mensch und Tier unterschiedlich ist.
Wenn nicht durch eine Impfung vorgebeugt werden kann, existieren derzeit keine ausreichenden Alternativen zu Antibiotika. Daher ist ihr verantwortungsbewusster, gezielter Einsatz sinnvoll und notwendig. Die Gabe von Antibiotika folgt der Empfehlungso wenig wie möglich, so viel wie nötig– ein Zurückfahren des Antibiotikaeinsatzes auf Null ist unrealistisch und unverantwortlich, denn man darf keinem kranken Tier eine angemessene Behandlung verwehren.
Seit 2008 verfolgt die Bundesregierung mit der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie DART
in der Human- und Tiermedizin eine gemeinsame Strategie zur Eindämmung der antimikrobiellen Resistenzen. Die Arbeitsgruppe Antibiotika-Resistenzen
des Bundesinstituts für Risikobewertung und des BVL hat die Aufgabe, alle neuen Erkenntnisse zu analysieren, Risikobewertungen vorzunehmen und Strategien für das Risikomanagement zu erarbeiten. Die Arbeitsgruppe kann jederzeit Experten aus allen Bereichen hinzuziehen. Auch europaweit gibt es einen umfassenden Aktionsplan zur Abwehr der Antibiotikaresistenz, der 12 konkrete Maßnahmen enthält.
Seit 2012 melden Geflügel- und Schweinehalter den Antibiotikaeinsatz in ihren Beständen im Rahmen des freiwilligen QS-Programms an eine zentrale Datenbank. Dies ist die Grundlage für den Vergleich von Betrieben hinsichtlich der Antibiotika-Anwendung und für Maßnahmen zur Verbesserung des vorsorgenden Tiergesundheitsmanagements.
Seit April 2014 ist mit der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes zudem ein bundesweites Antibiotikamonitoring für Nutztiere gesetzlich vorgeschrieben. Die neuen Regelungen verpflichten die Tierhalter, halbjährlich der zuständigen Behörde zu melden, welche Antibiotika sie in diesem Zeitraum, in welchen Mengen und welcher Anzahl von Tieren verabreicht haben. Daraus wird die Therapiehäufigkeit ermittelt. Liegt ein Betrieb über dem Durchschnitt, müssen Tierarzt und Tierhalter gemeinsam die Ursachen ermitteln und Maßnahmen zur Reduktion des Antibiotikaeinsatzes ergreifen. Liegt ein Betrieb im oberen Viertel, muss ein schriftlicher Maßnahmenplan zur Senkung des Antibiotikaeinsatzes erarbeitet werden.